Energiewende bei der großen Koalition

Die Energiewende, im Wahlkampf noch ein Reizthema zur Abqualifizierung der gegnerischen Partei, ist im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD zum politischen „business as usual“ geworden. Das ist insofern kein Wunder, als auch im Wahlkampf keine echten Konzepte angeboten wurden. Seit dem Solarstreit des Jahres 2012 dümpelt die Erneuerung des EEG vor sich hin. Keine Partei außer der FDP hatte Lust, sich an dem unerfreulichen Thema zu reiben – angesichts des Wahlergebnisses wohl sogar eine weise Entscheidung. In der Sache hilft eine solche Einstellung wenig, zumal sich die abwartende Haltung zu den erneuerbaren Energien offensichtlich weiter verfestigt. Was die gemeinsame Energiepolitik der neuen Regierungskoalition laut Vereinbarung auszeichnet, ist vor allen Dingen Behäbigkeit.

Kein neuer Schub bis 2018?

Der breite Raum, den die Energiepolitik im Vertragsentwurf einnimmt, wurde in erster Linie mit Bestandsaufnahmen gefüllt. Zu viel ist bei den erneuerbaren Energien aus dem Ruder gelaufen, als dass es mit einem genialen Netzwurf wieder eingefangen werden könnte. Über das Benennen der Handlungsfelder hinaus gibt es wenig Substanzielles. Dass bis Ostern 2014 ein neues EEG stehen könnte, glauben wahrscheinlich nicht einmal die Verkünder dieser Aussicht. Allen Akteuren ist die Erleichterung darüber anzumerken, dass sich der Solarstrom nach drei extremen Jahren nun endlich wieder im geplanten Zubaukorridor befindet. Der „Solardeckel“ von 52 GW wird demnach erst 2018 erreicht – nach der nächsten Bundestagswahl. Das ist viel Zeit, um in Ruhe mit neuen Vermarktungsmethoden zu experimentieren. Struktureller Ausdruck der Problemversenkung ist die Aufnahme des Ressorts „Energie“ in das Wirtschaftsministerium.

Das neue Ziel: Konsolidierung

Laut Koalitionspapier tun sich neue Ziele auf, aber die bestehen eigentlich nur in der moderaten Verschiebung der alten. Ging man bisher von einem Anteil der erneuerbaren Energien an der nationalen Stromproduktion von 35 % im Jahr 2020 aus, so spricht Schwarz-Rot nun von 40 bis 45 % im Jahr 2025. Auch damit liegt man im Zielkorridor des Kyoto-Protokolls. Der weitere Zubau von Ökostrom-Anlagen in Deutschland mit kostendeckendem Betrieb wird im Koalitionspapier zudem konkret garantiert: Die Vergütung für neue Wind- und Solarparks soll auskömmlich bleiben. Es liegt auf der Hand, dass die Koalition lieber erst einmal die Folgen des ungebremsten Öko-Energie-Wachstums in den Griff bekommen möchte, als neues Chaos zu stiften. Mit dem Stromnetz, das an seine Grenzen gekommen ist, mit der EEG-Umlage oder mit der Überförderung von Windkraftanlagen hat man erst einmal genug zu tun. Was fehlt, ist eine charismatische Polit-PR, die das Ganze als „Politik der ruhigen Hand“ oder „Entwicklung mit Augenmaß“ verkauft.

Die Energiewende wird zum Langzeit-Thema

Das viel beschworene Konzept zur Energiewende ist auch im Koalitionsvertrag nicht zu finden. Allerdings klingt die Sorge um den Strompreis an. Seit dem Jahr 2000 ist dieser kontinuierlich gestiegen: um 100 %. Die EU geht in ihren Energieplanungen von einer weiteren Verdoppelung des Strompreises bis 2030 aus – in einer solchen Dimension wird die Energieversorgung zum sozialen Problem.

Aber die Risiken und Nebenwirkungen der Energiewende müssen nicht erst lange außerhalb des eigentlichen Handlungsfeldes gesucht werden. Das Thema ist so breit gefächert, dass es auch in sich selbst genug Missverhältnisse anbietet. Das selbst gebackene Offshore-Problem wird auch im Koalitionsvertrag weiter durchgeschleppt, und verschärft die Dringlichkeit des Netzausbaus. Die zusätzlichen Milliarden für ein Leistungsverhältnis, dessen Unrentabilität längst erweisen ist, steht im krassen Widerspruch zur in der Koalitionsvereinbarung angestrebten Marktkompatibilität der erneuerbaren Energien. Auch beim Wärmemarkt konnte sich Schwarz-Rot nicht recht entscheiden.

Zwar einigte man sich auf die Aufstockung und Vereinfachung der KfW-Förderprogramme zur energetischen Sanierung, zur steuerlichen Absetzbarkeit von Ökowärme-Investitionen konnte man sich jedoch nicht durchringen. Damit ist die Heizungsindustrie genau so unzufrieden wie die Öko-Aktivisten.

Immerhin nährt die Kritik von allen Seiten an der Energiepolitik a la Koalitionsvereinbarung die Hoffnung, dass die neue Regierung sich gut in der Mitte positioniert hat – und dort soll ja bekanntlich auch die Wahrheit liegen.