Aktuelle Gesundheitsprobleme in China

Übergewicht, Luftverschmutzung, Rauchen, ungesundes Essen – auch in China ist durch das rasante wirtschaftliche Wachstum und den damit einhergehenden Reichtum der westliche Lebensstil mit seinen negativen Begleiterscheinungen angekommen. Doch leider hält die medizinische Versorgung nicht mit der boomenden Wirtschaft Schritt. Außerdem ist es immer noch nicht gelungen, das enorme Gefälle zwischen Stadt und Land auszugleichen. Doch es gibt auch Hoffnungsschimmer.

Fastfood, Fett & Co.

Chinesisches Nudelgericht.

Gilt die traditionelle chinesische Küche mit frischen Zutaten, wenig Fleisch und viel Gemüse als sehr gesund, so bringen die neuen westlichen Essgewohnheiten, die sich zunehmend ausbreiten, Probleme mit sich. So ist der Fettgehalt in der Nahrung des durchschnittlichen Chinesen in den vergangenen Jahrzehnten dank viel Fleischkonsum, Fastfood und wenig Ballaststoffen sprunghaft angestiegen. In ländlichen Gegenden soll er sich sogar verdoppelt haben. Schon 2002 waren dementsprechend fast 23% der Chinesen und jedes 10. chinesische Kind übergewichtig. Bluthochdruck, Schlaganfälle und Herzinfarkte (um nur einige Beispiele zu nennen), die durch Übergewicht mit verursacht werden, sind die Folgen. Bewegungsmangel und zuckerhaltige Getränke sind weitere Faktoren, die außerdem Diabetes und andere Zivilisationskrankheiten begünstigen, deren Zahl entsprechend angestiegen ist. China sieht sich somit mit den gleichen zivilatorischen Begleiterscheinungen, die zunehmender Reichtum mit sich bringt, konfrontiert wie andere Industrieländer.

Nikotinsucht und Luftverschmutzung

Die enorme Luftverschmutzung, eine Folge des rasanten Wirtschaftswachstums, ist ein weiteres großes Problem, das Krankheiten der Atemwege wie Asthma begünstigt. Doch noch gravierender ist der Umstand, dass fast die Hälfte der chinesischen Männer raucht. Neusten Statistiken zufolge wird die Zahl der Tabaktoten in China zwischen den Jahren 2000 und 2050 100 Millionen betragen, denn gesundheitliche Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Arterienverkalkung sind vorprogrammiert. Jeder dritte Raucher auf der Welt ist ein Chinese. Dies gefährdet die gesamte Volksgesundheit in vielfacher Weise, denn Tabakkonsum kann bis zu 42 verschiedene Krankheiten verursachen, von chronischen Atemwegerkrankungen bis hin zu Krebs, Schlaganfällen und Herzinfarkten. Somit kann man sagen, dass Tabakkonsum in China eine Volkskrankheit ist. Die erschreckenden Zahlen gelten allerdings nicht für die Frauen: Aufgrund gesellschaftlicher Konventionen rauchen nur 5 Prozent von ihnen. Nikotinsucht und ihre Folgen sind in China daher vorwiegend ein männliches Problem.

Mangelhafte medizinische Versorgung

Obwohl beispielsweise jeder 5. chinesische Mann Bluthochdruck aufweist, werden aufgrund der gravierenden Lücken im Gesundheitssystem nur zwischen 7 und 12 Prozent von ihnen fachgerecht behandelt – was dies bedeutet, liegt auf der Hand, denn Bluthochdruck ist einer der Hauptgründe für Herzinfarkte und Schlaganfälle (von anderen Begleiterscheinungen mal ganz abgesehen). Fast 500 Millionen Chinesen sind nicht in der Lage, Medikamente, ärztliche Versorgung oder Krankenhausaufenthalte zu bezahlen, da beispielsweise eine Behandlung im Krankenhaus ein durchschnittliches Jahreseinkommen kostet. Viele Chinesen sind überhaupt nicht krankenversichert, die anderen müssen die Hälfte der Kosten aus eigener Tasche bezahlen. Viele scheuen deswegen den Gang zum Arzt und erkranken deswegen dauerhaft oder sterben frühzeitig. Ein großes Augenmerk der chinesischen Regierung liegt deswegen auf der Verbesserung der medizinischen Versorgung, indem insbesondere die ärmeren Schichten finanziell entlastet werden.

Enormes Stadt-Land-Gefälle

Eine der großen Herausforderungen auf Dauer ist es auch, das große Stadt-Land-Gefälle auszugleichen. Statistisch gesehen lebt die Landbevölkerung ungesünder (beispielsweise durch zu fettiges Essen), kann kostenbedingt seltener medizinische Leistungen in Anspruch nehmen und ist von wichtigen Ressourcen wie sauberem Trinkwasser zu sehr abgeschnitten. So soll in ärmeren Regionen weniger als jeder Dritte die Möglichkeit haben, sauberes Wasser zu trinken. Daraus resultieren schlimme Folgen: Die Kindersterblichkeit ist auf dem Land fünfmal höher als in den Städten und auch die Lebenserwartung ist auf dem Dorf nicht in dem Maße angestiegen wie in Großstädten wie Shanghai. Allerdings ist dies auch durch den niedrigeren Bildungsstand auf dem Land bedingt, da ein solcher – wie man aus anderen Industrieländern weiß – häufiger eine ungesunde Lebensweise wie Tabakkonsum, Fehlernährung und Bewegungsmangel mit sich bringt.

Große Herausforderungen, große Fortschritte

Selbstredend sind die o.g. Zahlen und Fakten alarmierend. Dennoch muss auch berücksichtigt werden, dass China sich schrittweise von einem Entwicklungsland, das lange auf Nahrungsversorgung durch die UN angewiesen war, hin zu einem Industrieland gemausert hat, was neben den negativen auch positive Begleiterscheinungen hat. So sind die Kosten für die medizinische Behandlung, die der Einzelne aufbringen muss, in den vergangenen Jahrzehnten schon merklich um fast 10 Prozent gesunken. Die meisten Infektionskrankheiten sind erfolgreich bekämpft worden und auch die Versorgung auf dem Lande wird besser. Angesichts der großen Fortschritte, die das Land hinsichtlich der medizinischen Versorgung schon gemacht hat, und angesichts der Tatsache, dass eine unglaubliche Zahl von rund 1,3 Milliarden Chinesen gesundheitlich zu versorgen ist, müssen bei aller Schwarzseherei auch die Errungenschaften gewürdigt werden, ist es doch noch mehr als eine enorme Herausforderung, das Riesenreich auf einen modernen Stand zu bringen. Tatsächlich muss gesehen werden, dass China eine ähnliche Entwicklung durchläuft wie viele andere Staaten zu Beginn der Industrialisierung. So haben auch in Deutschland einst fast 90% der Männer geraucht. Insofern müssen die drastischen Zahlen etwas relativiert werden, wenn auch große Herausforderungen bleiben.