Auswirkungen des Anti-Einwanderungskurses der USA in Süd- und Mittelamerika

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Seit mehreren Jahren verfolgen die Vereinigten Staaten eine zunehmend restriktive Migrationspolitik. Was unter Donald Trump begann – der Bau einer Grenzmauer, Massenabschiebungen und die Kriminalisierung irregulärer Migranten – wurde unter der Biden-Administration nur punktuell abgemildert.

Im Gegenteil: Angesichts des innenpolitischen Drucks und wachsender Ressentiments gegenüber Migranten setzt auch Biden auf Abschottung. Für Länder Süd- und Mittelamerikas bedeutet das: Sie werden nicht nur zum Puffer vor den US-Grenzen, sondern auch zum Auffangbecken humanitärer Krisen.

Rückgang der Migration – eine trügerische Statistik

Die US-Regierung feiert einen drastischen Rückgang irregulärer Grenzübertritte: Im Juni 2025 registrierten US-Behörden 92 % weniger Versuche, die Grenze zu Mexiko zu überqueren, als im Vorjahr. Auch die Zahlen aus Mittelamerika scheinen den Erfolg zu bestätigen: Statt mehr als 130.000 Migranten im ersten Quartal 2024 machten sich im gleichen Zeitraum 2025 nur noch rund 14.000 auf den Weg Richtung Norden.

Besonders auffällig ist der Rückgang im Darién Gap – jenem gefährlichen Dschungelstreifen zwischen Kolumbien und Panama, der als Nadelöhr für Migranten auf dem Weg in die USA gilt. Im April 2025 wurden hier kaum noch Menschen registriert, die den Durchstieg wagten. Doch Experten warnen: Diese Statistiken sind kein Ausdruck gesunkener Fluchtursachen, sondern das Ergebnis aktiver Abschottungspolitik.

Die Externalisierung der US-Grenze

Was sich hier zeigt, ist ein Phänomen, das Politikwissenschaftler als „Externalisierung der Grenze“ bezeichnen: Die USA verlagern ihren Grenzschutz immer weiter in den Süden – in die Länder Mittelamerikas und sogar bis nach Südamerika.

Ein zentraler Baustein dieser Strategie ist die Zusammenarbeit mit Transitländern wie Mexiko, Guatemala, Honduras, Panama oder Kolumbien. Diese Staaten erhalten finanzielle und diplomatische Anreize, um Migranten frühzeitig zu stoppen – notfalls auch mit militärischen Mitteln. In Panama etwa wurde im Frühjahr 2025 eine massive Militäroperation zur Schließung des Darién Gap gestartet, offiziell mit dem Ziel, Menschenschmuggler zu bekämpfen. Doch Leidtragende sind vor allem Migrantinnen und Migranten, die ohne Perspektive stranden.

Folgen in Transit- und Herkunftsländern

Humanitäre Krise entlang der Route

Die abrupte Kehrtwende in der Migrationspolitik führt zu einer neuen, kaum sichtbaren humanitären Krise. Zahlreiche Menschen – viele von ihnen aus Venezuela, Haiti oder Kuba – sind unterwegs stecken geblieben. Sie haben oft ihr gesamtes Hab und Gut verkauft, um in die USA zu gelangen. Nun sitzen sie in Grenzstädten wie Tapachula (Mexiko), Necoclí (Kolumbien) oder in improvisierten Lagern in Costa Rica fest.

„Ich kann nicht zurück, ich kann nicht weiter – ich existiere nicht mehr“, sagt Jesús Alfredo Aristigueta, ein 34-jähriger Venezuelaner, der im kolumbianischen Urabá festsitzt. Seine Reise endete, nachdem panamaische Sicherheitskräfte die Grenze abriegelten. Seine Familie weiß nicht, wo er ist – sein Traum vom Neubeginn ist gescheitert.

Rückkehr ohne Reintegration

Viele Migranten kehren in ihre Herkunftsländer zurück – freiwillig oder unter Zwang. Die USA bieten dafür seit 2024 ein sogenanntes „Humanitäres Rückkehrprogramm“ an, das jedem Teilnehmenden 1.000 Dollar als Starthilfe verspricht. Doch die Realität sieht anders aus: In Venezuela, Haiti oder Honduras fehlen funktionierende Sozialsysteme, die eine echte Reintegration ermöglichen. Rückkehrer gelten oft als Versager oder werden Zielscheibe krimineller Banden.

„Ich wurde entführt, weil sie dachten, ich hätte viel Geld aus den USA mitgebracht“, erzählt María del Rosario, eine Rückkehrerin aus San Pedro Sula in Honduras. Innerhalb von zwei Wochen verlor sie alles, was sie bei ihrer Rückkehr aufgebaut hatte.

Ökonomische Folgen: Rückgang von Geldüberweisungen

Ein dramatischer Nebeneffekt des US-Kurses ist der Rückgang von Rücküberweisungen – der sogenannten „Remittances“. Diese bilden in vielen Ländern eine der wichtigsten Devisenquellen. In Mexiko etwa gingen im April 2025 rund 12 % weniger Überweisungen aus den USA ein als im Vorjahr. In Guatemala, El Salvador und Honduras sind ähnliche Rückgänge zu verzeichnen.

Das wirtschaftliche Vakuum ist enorm: Millionen Familien, die sich über Jahre auf regelmäßige Überweisungen ihrer Verwandten in den USA verlassen haben, stehen plötzlich ohne Einkommen da.

Politische Folgen: Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus

Auch die politische Landschaft in der Region verändert sich. In Ländern wie Panama, Costa Rica oder Ecuador wächst die Fremdenfeindlichkeit. Migranten, besonders aus Venezuela oder Haiti, werden zunehmend als Sicherheitsrisiko dargestellt. Rechtspopulistische Politiker machen mit Parolen wie „Schließt den Darién“ oder „Unser Land zuerst“ Stimmung – ähnlich wie in den USA.

So kündigte Panamas Präsidentin Laurentino Cortizo im Frühjahr 2025 an, das Land solle „nicht länger das Einfallstor für illegale Migration“ sein. Auch in Ecuador kommt es vermehrt zu Übergriffen auf Flüchtlinge, insbesondere in Quito und Guayaquil.

Folgen für die USA selbst

Die USA selbst bleiben von den Konsequenzen nicht verschont. In vielen Sektoren – insbesondere in der Landwirtschaft, im Baugewerbe und in der Gastronomie – fehlen Arbeitskräfte, weil die Einreisebedingungen massiv verschärft wurden. Legale Migrationswege existieren kaum, während irreguläre Migration kriminalisiert wird.

Zudem sorgt die Externalisierung des Asylsystems für einen Vertrauensverlust: Zahlreiche Asylanträge werden bereits in Drittstaaten abgeschmettert, bevor sie überhaupt die US-Grenze erreichen. Menschenrechtler sprechen von einer „systematischen Aushöhlung des Flüchtlingsschutzes“.

Neue Routen, neue Risiken

Der Rückgang im Darién Gap oder an der Südgrenze Mexikos bedeutet nicht das Ende der Migration – sondern eine Verlagerung. Menschen versuchen, über neue Routen nach Norden zu gelangen: über Ecuador und Kolumbien nach Spanien, über die Karibik in die USA, oder über Mexiko per Schiff in Richtung Kalifornien. Diese Wege sind meist noch gefährlicher, unregulierter und kostenintensiver.

Zugleich nehmen Schleusernetzwerke wieder an Bedeutung zu. Sie profitieren vom Mangel legaler Alternativen – und schrecken nicht vor brutalster Ausbeutung zurück. Der UNHCR warnt: „Jeder Rückzug staatlicher Kontrolle ist ein Gewinn für die organisierte Kriminalität.“

Handlungsoptionen – wohin mit der Verantwortung?

Die Herausforderungen sind gewaltig – und betreffen nicht nur Süd- und Mittelamerika. Auch die USA tragen Verantwortung. Migrationsforscherin Saskia Sassen betont: „Eine nachhaltige Lösung braucht legale Wege, wirtschaftliche Unterstützung für Herkunftsländer und ein faires Asylsystem – andernfalls wird sich die Gewalt an den Grenzen weiter verschärfen.“

Zu den dringend empfohlenen Maßnahmen zählen:

  • Der Ausbau legaler Arbeitsmigration (z. B. durch Visa-Quoten)
  • Gezielte Entwicklungszusammenarbeit statt Sicherheitskooperationen
  • Unterstützung für Rückkehrer-Programme mit sozialer Komponente
  • Schutz besonders gefährdeter Gruppen (Frauen, Kinder, LGBTQ)

Gravierende Auswirkungen

Der Anti-Einwanderungskurs der USA mag kurzfristig statistische Erfolge zeigen – aber seine Auswirkungen in Süd- und Mittelamerika sind gravierend. Menschen geraten in lebensgefährliche Situationen, Länder werden überfordert, und die sozioökonomische Lage verschärft sich in vielen Regionen. Die Externalisierung des Grenzschutzes verlagert Verantwortung, statt Probleme zu lösen. Es braucht einen humanitären und partnerschaftlichen Ansatz, der die Ursachen von Migration anerkennt – nicht nur deren Symptome bekämpft.

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