Grundwasserstress und Grundwasserreserven – notwendige Änderungen in der Nationalen Wasserstrategie

Grundwasser Wasserstrategie

Grundwasser ist eine der wichtigsten natürlichen Ressourcen in Deutschland. Mehr als zwei Drittel unseres Trinkwassers stammen aus unterirdischen Wasserspeichern.

Doch diese Grundlage unseres täglichen Lebens ist gefährdet: In etwa der Hälfte aller deutschen Landkreise wird inzwischen mehr Grundwasser entnommen als sich auf natürliche Weise neu bildet. Die Folge sind sinkende Pegel, ökologische Schäden und zunehmende Nutzungskonflikte.

Die Nationale Wasserstrategie, die 2023 von der Bundesregierung beschlossen wurde, soll den Umgang mit Wasser in Deutschland zukunftsfähig machen. Doch angesichts des sich verschärfenden Grundwasserstresses wird deutlich, dass Nachbesserungen notwendig sind. Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle Lage, analysiert Schwächen der bisherigen Strategie und benennt konkrete Handlungsempfehlungen für eine resiliente Wasserpolitik.

Aktuelle Lage & Forschungsergebnisse

Nationale BUND-Studie: Alarmsignal für den Untergrund

Im Juni 2025 veröffentlichte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gemeinsam mit dem Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) eine umfassende Studie zur Grundwassersituation in Deutschland. Das zentrale Ergebnis: In 201 der 401 deutschen Landkreise wird dauerhaft mehr Wasser aus dem Boden entnommen, als durch Niederschläge und Versickerung neu entstehen kann. In 94 Kreisen ist die Lage besonders kritisch – hier sinken die Grundwasserspiegel bereits signifikant.

Besonders betroffen sind ostdeutsche Regionen mit ohnehin geringen Niederschlägen, urbane Zentren entlang der Rheinschiene sowie das Land Niedersachsen. Auch Berlin ist in einer prekären Lage: In allen dortigen Grundwasserkörpern wird mehr Wasser entnommen als regeneriert. Die Studie zeigt, dass der Wassermangel längst kein Zukunftsszenario mehr ist – er ist bereits Realität.

Ursachen des Grundwasserstresses

Der Hauptverursacher ist der Klimawandel. Längere Trockenphasen, steigende Temperaturen und häufigere Extremwetterereignisse wie Starkregen verhindern, dass Wasser in ausreichendem Maße in den Boden eindringt. Stattdessen fließt es oberflächlich ab oder verdunstet schnell.

Gleichzeitig bleibt die Wassernutzung auf hohem Niveau. Die Landwirtschaft bewässert zunehmend Felder, um Ernteausfälle zu vermeiden. Industrieunternehmen wie Chemiekonzerne oder die Braunkohlegewinnung entnehmen große Mengen Grundwasser – häufig kostenlos oder zu sehr günstigen Konditionen. Hinzu kommt die steigende Verschmutzung durch Mikroverunreinigungen wie Pestizide, PFAS oder Medikamentenrückstände. Diese erschweren die Aufbereitung und mindern die Qualität der verbleibenden Reserven.

Die Nationale Wasserstrategie – Anspruch und Wirklichkeit

Ziele und Maßnahmen der Strategie

Im Jahr 2023 präsentierte das Bundesumweltministerium mit der Nationalen Wasserstrategie (NWS) einen ambitionierten Plan: 78 Maßnahmen in zehn Handlungsfeldern sollen bis 2030 dafür sorgen, dass Deutschlands Wasserressourcen nachhaltig genutzt und geschützt werden. Dazu zählen etwa die Förderung naturnaher Wasserhaushalte, klimaangepasste Flächennutzung, bessere Aufklärung der Bevölkerung, die Stärkung von Wasserschutzgebieten sowie der Schutz vor Schadstoffeinträgen.

Im Vorfeld war der sogenannte „Nationale Wasserdialog“ organisiert worden, in dem Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Kommunen und Umweltverbände ihre Perspektiven einbringen konnten. Das war ein wichtiger Schritt in Richtung einer partizipativen Wasserpolitik. Doch der Weg von Strategiepapieren zur konkreten Umsetzung bleibt lang und mit Hürden gespickt.

Defizite in der Umsetzung

Die Kritik an der Strategie wächst. Ein zentraler Schwachpunkt ist die fehlende Verbindlichkeit: Viele Maßnahmen sind freiwillig, es fehlen gesetzliche Regelungen, klare Fristen und messbare Ziele. Besonders problematisch ist die Ungleichbehandlung bei der Wassernutzung. Während private Haushalte für Trinkwasser bezahlen, dürfen Großverbraucher wie die Industrie vielerorts Wasser entnehmen, ohne nennenswerte Gebühren zu entrichten.

Auch bei der Datengrundlage besteht erheblicher Nachholbedarf. Es fehlt an flächendeckendem Monitoring zu Grundwasserständen, Entnahmemengen und Verschmutzungsgraden. Die Zuständigkeit liegt oft bei den Bundesländern, was zu einer zersplitterten Datenlage und mangelnder Transparenz führt. Ohne belastbare Informationen bleibt eine zielgerichtete Steuerung unmöglich.

Handlungsempfehlungen – notwendige Änderungen

Um den Grundwasserstress wirksam zu bekämpfen, sind konkrete, durchsetzbare und sozial gerechte Maßnahmen erforderlich. Die folgenden Empfehlungen basieren auf aktuellen Studien, Umweltanalysen und politischen Forderungen:

Maßnahme Beschreibung Ziel
Wasserpreise & Entgeltgerechtigkeit Einführung einheitlicher, fairer Gebühren für alle Nutzer – insbesondere für Industrie und Großverbraucher. Nachfrageminderung, Finanzierung ökologischer Maßnahmen, Gerechtigkeit schaffen.
Dateninfrastruktur & Monitoring Flächendeckendes Monitoring von Pegelständen, Entnahmen und Reserven; Aufbau einer zentralen, öffentlichen Datenbank. Transparenz, evidenzbasierte Steuerung und bessere Prognosefähigkeit.
Naturschutz & Renaturierung Förderung der Wiedervernässung von Mooren und Auen, Umsetzung von Schwammstadt-Prinzipien in Städten. Erhöhung der Grundwasserneubildung, Rückhalt von Niederschlagswasser, ökologische Resilienz.
Reduktion von Schadstoffbelastungen Begrenzung und Substitution kritischer Stoffe wie PFAS und Pestizide, Einführung strengerer Umweltstandards. Verbesserung der Wasserqualität, Senkung der Aufbereitungskosten.
Priorisierung & Bewusstseinsbildung Festlegung einer klaren Rangfolge bei Wassermangel (z. B. Trinkwasserversorgung vor Industrie), bundesweite Bildungskampagnen. Gesellschaftliche Akzeptanz, verantwortungsvolle Nutzung und Krisenfestigkeit.

Erwartete Effekte & Mehrwert

Die Umsetzung dieser Maßnahmen hätte vielfältige positive Auswirkungen. Ökologisch würden Flüsse, Moore und Feuchtgebiete profitieren. Sinkende Pegel könnten stabilisiert, gefährdete Ökosysteme geschützt und die Artenvielfalt erhalten werden. Auch die Wälder und Böden, die auf stabile Grundwasserverhältnisse angewiesen sind, würden gestärkt.

Ökonomisch ergibt sich ebenfalls ein Nutzen: Kostenintensive Maßnahmen zur Notwasserversorgung oder zur technischen Nachrüstung könnten vermieden werden. Ein transparenter Preis für Wasserressourcen würde zudem Anreize für Sparsamkeit und Innovation schaffen. Für Kommunen, die heute auf teure Fernwasserleitungen angewiesen sind, könnte eine resilientere Wasserpolitik langfristig Kosten sparen.

Gesellschaftlich geht es um nicht weniger als die Absicherung eines Grundrechts: dem Zugang zu sauberem Trinkwasser. Je klarer Regeln, Zuständigkeiten und Prioritäten festgelegt werden, desto geringer ist die Gefahr von Nutzungskonflikten zwischen Landwirtschaft, Industrie und Bevölkerung.

Nachhaltigeres Wassermanagement

Die Zeichen der Zeit sind unübersehbar: Grundwasserstress bedroht nicht nur unsere Wasserversorgung, sondern auch unsere Umwelt, unsere Wirtschaft und den sozialen Frieden. Die Nationale Wasserstrategie war ein wichtiger erster Schritt – doch sie reicht nicht aus, um den Herausforderungen einer sich wandelnden Klimarealität zu begegnen.

Deutschland braucht ein entschlosseneres, gerechteres und ökologisch nachhaltigeres Wassermanagement. Die vorgeschlagenen Änderungen – von fairer Bepreisung über belastbare Datengrundlagen bis hin zur Förderung naturnaher Wasserkreisläufe – können dabei helfen, die Grundwasserreserven zu stabilisieren und künftigen Generationen eine sichere Versorgung zu ermöglichen.

Die Zeit zum Handeln ist jetzt. Was wir heute nicht schützen, wird morgen unwiederbringlich verloren sein.

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