
In Zeiten zunehmender globaler Unsicherheit gewinnt die Entwicklungshilfe neue Bedeutung. Während traditionelle Geber wie die USA ihre Mittel kürzen, richtet sich der Blick auf Deutschland – und auf eine ungewöhnliche Allianz zwischen dem Tech-Milliardär Bill Gates und der Bundesrepublik.
Gates warnt eindringlich vor den Folgen eines schleifenden Engagements, betont zugleich den volkswirtschaftlichen Nutzen für Deutschland – und appelliert an politische Entscheidungsträger: Der Zeitpunkt ist jetzt.
1. Bill Gates’ Gastbeitrag im RND: ein Weckruf
Am 23. Juni 2025 erschien auf RND.de ein Gastbeitrag von Bill Gates. Er stellt klar: Deutschland gehört zu den großzügigsten Gebern weltweit, und dieses Engagement habe „unglaublich viel Gutes bewirkt“. Doch zeitgleich geben die USA und Großbritannien ihre Verpflichtungen auf.
„Die Folgen dieser Entscheidungen werden verheerend sein. Krankheiten werden sich ausbreiten. Die Armut wird zunehmen. Und Millionen von Kindern werden sterben.“
Gates liefert erschreckende Daten: 2025 könnte womöglich das erste Jahr im 21. Jahrhundert sein, in dem die Kindersterblichkeit wieder steigt. Damit verbindet er einen moralischen Imperativ mit klarem politischem Druck – besonders auf Deutschland.
2. Deutschland in der Verantwortung – und im Vorteil
Gates unterstreicht, dass Deutschlands Investitionen nicht nur moralisch, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sind. Deutschland als Exportnation profitiere von stabilen Handelspartnern im globalen Süden – insbesondere durch starke wirtschaftliche Verknüpfung:
„Als Exportnation sei Deutschland zudem auf gute Beziehungen und globale Stabilität angewiesen… Das sichert Arbeitsplätze auch bei uns.“
Martin Wimmer vom BMZ ergänzt:
„Durch die Finanzierung von Gesundheit und Entwicklung in Afrika kann Deutschland neue Handelspartner und neue Märkte für deutsche Waren erschließen.“
3. Die Entwicklungshilfe im deutschen Haushalt 2025
Trotz dieser Argumente plant die Bundesregierung für 2025 Kürzungen um etwa 900 Mio. € – von ca. 11,2 auf 10,3 Mrd. €. Hier drohen zwei Effekte: Erstens gefährden Einsparungen erreichte Fortschritte in Gesundheit, Bildung und Armutsbekämpfung. NGOs warnen eindringlich, dass damit wichtige Erfolge zunichtegemacht und die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) in Frage gestellt werden.
Zweitens besteht für Deutschland politischen und moralischen Druck, sein ODA-Ziel (0,7 % des BNE) einzuhalten – aktuell liegt die Quote bei 0,67 %.
4. NGOs und Expert:innen schlagen Alarm
Ein Bündnis aus 30 NGOs fordert: Deutschland solle nicht kürzen, sondern anderen Geberländern ein Beispiel geben. Diese Organisationen – darunter Brot für die Welt, Oxfam und One – warnen vor nachhaltigen Rückschlägen in humanitärer Hilfe.
Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) liefert ein ökonomisches Argument: Jeder in Krisenprävention investierte US-Dollar spare am Ende 25 US-Dollar. Politische Kurzsichtigkeit sei daher teuer – und gerade bei wachsendem Populismus gefährlich.
5. Gavi und die Wirkung deutscher Beiträge
Deutschland ist Gründungsmitglied der Impfallianz Gavi: In den letzten 25 Jahren wurden über 1 Mrd. Kinder geimpft, rund 19 Mio. Leben gerettet – die Kindersterblichkeit wurde halbiert.
Die Gates Foundation unterstützte Gavi mit über 750 Mio. USD und hat seitdem Milliarden investiert. Laut Tobias Kahler, Deutschland-Leiter der Stiftung, zeigt Gavi wirkungsvoll, dass „smart aid works“ – effektive, ergebnisorientierte Hilfe rettet Millionenleben.
6. Tobias Kahler im Interview: Deutschlandzentrum Berlin
Tobias Kahler, Deutschland-Leiter der Gates Foundation, sagt:
„Berlin hat sich zu einem Zentrum entwickelt – für Politik, Forschung, Zivilgesellschaft – alles, was sich für globale Gesundheit engagiert.“
Er verweist auf den raschen Einsatz flexibler Mittel in Krisenzeiten, etwa 1,8 Mrd. USD zur Coronabekämpfung. Als ehemaliger Geschäftsführer von ONE setzt Kahler auf politischen Dialog:
„Es kommt darauf an, dass Deutschland sein politisches Kapital nutzt – sowohl bei Haushaltsentscheidungen als auch bei strategischer Partnerschaft mit Wirtschaft und Wissenschaft.“
7. Öffentliche-private Allianzen: Innovation durch Kooperation
Bill Gates verweist auf deutsche Firmen wie BioNTech und BASF, die in globalen Gesundheitsprojekten aktiv sind:
- BioNTech arbeitet an mRNA-Impfstoffen gegen HIV und Tuberkulose.
- BASF entwickelt neue Moskitonetze im Kampf gegen Malaria.
Dies unterstreicht das Potenzial öffentlich-privater Partnerschaften: Deutsche Forschung und Industrie können Trendsetter globaler Gesundheitsinnovationen sein. Beispielhaft ist auch die German Food Partnership, bei der BMZ und Gates Foundation gemeinsam Agrarprojekte in Afrika fördern.
8. Lektionen aus der Pandemie: Lobbying für globale Solidarität
Während der Corona-Pandemie unterstützte die Gates Foundation die internationale Impfinitiative ACT-A/COVAX. Tobias Kahler organisierte in Berlin gezielte Lobbyarbeit, um Deutschland zur erhöhten Beteiligung zu bewegen:
„Die deutsche Beteiligung würde sich mehr als auszahlen.“
Das Ergebnis: Olaf Scholz versprach 1,5 Mrd. € zusätzlich für COVAX. Dieses Beispiel zeigt: Gezielte zivilgesellschaftliche Einflussnahme wirkt – auch in Krisenzeiten.
9. Deutschland am Scheideweg
Sektor | Empfehlung |
---|---|
Politik | Rücknahme der Kürzungen; ODA-Quote von 0,7 % politisch verankern |
Wirtschaft & Forschung | Ausbau von PPPs – z. B. Impfstoffforschung, Agrartechnologie |
Zivilgesellschaft | NGOs stärken, verlässliche Partnerschaften pflegen |
Globalstrategie | Vorreiterrolle einnehmen: Klimapolitik, Gesundheit, Armutsbekämpfung |
Gates fasst es so zusammen: „Deutschland kann Millionen von Menschen helfen – und sich selbst.“ Tobias Kahler ergänzt:
„Es ist eine Frage politischer Weitsicht – und zivilgesellschaftlicher Verantwortung.“
Perspektive 2030: Deutschland als globaler Motor
Deutschland könnte bis 2030:
- Seine ODA-Quote auf über 0,7 % bringen
- Innovationsmotor für Gesundheitslösungen werden
- Stabile Partnerschaften in Afrika und Südamerika festigen
- Globale Governance stärken – von WHO über ACT-A bis Gavi
Anders ausgedrückt: Jedes investierte Euro steht für humanitäre Verantwortung, wirtschaftlichen Nutzen und globale Sicherheit.
Abschließende Bewertung
Der Artikel macht deutlich: Entwicklungshilfe ist kein Luxus, sondern strategisches Investitionsgut – für Menschen in fragilen Regionen und für Deutschland selbst. Bill Gates’ Appell an Deutschland ist zugleich eine Gelegenheit, Verantwortung zu übernehmen und die öffentliche Debatte auf Zukunft zu richten.
Mit politischem Rückgrat, wirtschaftlicher Klugheit und zivilgesellschaftlichem Engagement steht Deutschland an der Schwelle, eine Führungsrolle einzunehmen – im globalen Sinne.