
Warum die Schifffahrt ein Klimaproblem ist
Die globale Schifffahrt ist ein zentrales Rückgrat des internationalen Handels: Etwa 90 Prozent des weltweiten Warenverkehrs werden auf dem Seeweg transportiert. Doch diese scheinbar effiziente Transportart hat eine Schattenseite. Der Großteil der Schiffe wird mit Schweröl oder Diesel betrieben, zwei fossilen Brennstoffen, die erhebliche Mengen an CO2 und weiteren Schadstoffen wie Schwefeldioxid und Feinstaub ausstoßen.
Laut der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) verursacht die Schifffahrt etwa 2 bis 3 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen – mehr als viele Industrieländer zusammen. Angesichts der globalen Klimakrise hat sich die IMO ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Bis 2050 soll die internationale Schifffahrt klimaneutral werden. Doch wie realistisch ist das, wenn die Branche bislang zu den Nachzüglern im Klimaschutz zählt?
Elektro-Schiffe als Schlüssel zur Dekarbonisierung
Ein vielversprechender Ansatz zur Reduktion der Emissionen liegt in der Elektrifizierung des Schiffsantriebs. Batterieelektrische Schiffe, die mit Elektromotoren statt Diesel betrieben werden, stoßen im Betrieb keinerlei CO2 aus – vorausgesetzt, der Strom stammt aus erneuerbaren Quellen. Sie eignen sich besonders gut für den Einsatz auf kurzen Strecken, etwa im Fährbetrieb oder auf Binnengewässern.
Ein aktuelles Beispiel für diesen Wandel ist die „Frisia E-I“, Deutschlands erste vollelektrische Seefähre. Seit April 2025 verbindet sie den ostfriesischen Festlandhafen Norddeich mit der Insel Norderney. Das Besondere: Der für den Betrieb benötigte Strom wird größtenteils über Photovoltaikanlagen erzeugt und in sogenannten Second-Life-Batterien gespeichert, also wiederverwerteten Akkus aus der Automobilindustrie. Die Frisia E-I zeigt exemplarisch, wie klimafreundlicher Schiffsverkehr im Alltag funktionieren kann.
Auch international gibt es zahlreiche Projekte: In Norwegen, einem Vorreiter der grünen Schifffahrt, verkehren mittlerweile Dutzende Elektrofähren im Linienbetrieb. Das Land plant, alle innernorwegischen Fährverbindungen bis 2030 auf elektrische Antriebe umzustellen. Solche Entwicklungen zeigen, dass die Technologie längst über das Pilotstadium hinausgewachsen ist.
Technologische Herausforderungen und Grenzen
Trotz dieser Erfolge gibt es auch technische Hürden. Die begrenzte Energiedichte heutiger Batterien macht batterieelektrische Schiffe vor allem für kurze Distanzen praktikabel. Große Containerschiffe, die tausende Kilometer über offene Meere zurücklegen, können mit der aktuellen Batterietechnologie nicht effizient betrieben werden – die Akkus wären zu groß, zu schwer und würden wertvollen Frachtraum beanspruchen.
Deshalb setzen einige Betreiber auf Hybridlösungen: Die norwegische „Vision of the Fjords“, ein Passagierschiff, kombiniert Dieselmotoren mit leistungsstarken Akkus. In sensiblen Naturgebieten wie den Fjorden kann das Schiff vollelektrisch fahren und so Emissionen sowie Lärm deutlich reduzieren. Im offenen Gewässer springt der Dieselmotor an und speist gleichzeitig die Batterie.
Diese Zwischenschritte zeigen, dass eine vollständige Elektrifizierung derzeit nicht in allen Bereichen der Schifffahrt realistisch ist – wohl aber eine schrittweise Umstellung mit Technologie-Mix und regionaler Anpassung.
Alternative Antriebe: Wasserstoff, Methanol & Co.
Für den Hochseeverkehr setzen viele Experten auf alternative Treibstoffe wie Wasserstoff, Ammoniak oder Methanol. Diese synthetischen Kraftstoffe können klimaneutral produziert werden, wenn sie aus grünem Strom und CO2 aus der Luft hergestellt werden.
Wasserstoff hat den Vorteil, dass er beim Verbrennen oder in Brennstoffzellen lediglich Wasser freisetzt. Das norwegische Unternehmen TECO 2030 will ab 2025 serienmäßig Brennstoffzellen für Schiffe herstellen, die große Distanzen emissionsfrei überbrücken können. Erste Testläufe mit kleineren Schiffen laufen bereits.
Methanol wiederum ist einfacher zu lagern und zu transportieren als Wasserstoff. Der Schiffsbetreiber Maersk hat mehrere große Containerschiffe bestellt, die mit grünem Methanol betrieben werden sollen. Diese Schiffe können – im Gegensatz zu batterieelektrischen – auch transozeanisch verkehren und dabei klimaneutral bleiben, sofern das Methanol aus nachhaltiger Produktion stammt.
Doch diese neuen Technologien sind nicht ohne Herausforderungen: Die Umstellung der bestehenden Flotte auf neue Antriebsarten ist kostenintensiv, die Infrastruktur zur Betankung mit Wasserstoff oder Methanol ist vielerorts noch unzureichend. Zudem ist die Verfügbarkeit grüner Kraftstoffe bislang begrenzt.
Politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Ohne klare politische Leitplanken wird der Wandel hin zur emissionsfreien Schifffahrt kaum gelingen. Zwar hat die IMO im Juli 2023 ein Netto-Null-Ziel für 2050 verabschiedet, doch viele Umweltorganisationen und Reedereien fordern ambitioniertere Maßnahmen.
In Europa wurde 2024 ein Emissionshandelssystem für die Schifffahrt eingeführt. Reedereien müssen seitdem Emissionszertifikate für ihre CO2-Ausstoße erwerben. Dies erhöht den Druck, auf klimafreundlichere Technologien umzusteigen. Unternehmen wie Hapag-Lloyd oder Maersk begrüßen diese Entwicklung – nicht zuletzt, weil sie sich als Vorreiter im Klimaschutz positionieren wollen.
Allerdings sind die wirtschaftlichen Hürden beträchtlich. Die Betriebskosten klimaneutraler Schiffe sind heute zwei- bis sechsmal höher als die konventioneller Modelle. Investitionen in neue Flotten, Ladeinfrastruktur und Forschung sind nötig – und diese können kleinere Reedereien vor große Herausforderungen stellen.
Ein langfristiger Erfolg wird deshalb auch davon abhängen, inwieweit staatliche Förderungen, Innovationsprogramme und internationale Abkommen den Wandel unterstützen.
Der Weg zur emissionsfreien Schifffahrt
Elektro-Schiffe sind mehr als ein technologischer Trend – sie sind ein notwendiger Schritt zur Dekarbonisierung der globalen Logistik. Besonders im Kurzstreckenbereich bieten batteriebetriebene Schiffe bereits heute eine klimafreundliche Alternative zum Dieselantrieb. Beispiele wie die Frisia E-I oder norwegische Elektrofähren zeigen, wie solche Konzepte erfolgreich umgesetzt werden können.
Für die Hochseeschifffahrt müssen andere Lösungen gefunden werden: Grüner Wasserstoff, Methanol und synthetische Kraftstoffe spielen hier eine entscheidende Rolle. Doch die Technik allein wird den Wandel nicht schaffen. Notwendig sind auch klare politische Rahmenbedingungen, wirtschaftliche Anreize und internationale Kooperationen.
Wenn all diese Elemente zusammenspielen, könnte die Vision einer klimaneutralen Schifffahrt bis 2050 Realität werden – und ein bedeutender Beitrag zur Bewältigung der globalen Klimakrise geleistet werden.